Krebs klassifizieren: Molekulare Landkarte für Tumoren

Forscher erstellen die bisher umfangreichsten genetischen Profile verschiedener Krebsarten, um diese besser unterscheiden zu können
Krebszellen unterscheiden sich in ihren molekularen Profilen.
Krebszellen unterscheiden sich in ihren molekularen Profilen.
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Santa Cruz (USA) - Es beginnt mit einer einzigen Zelle, deren Regulationsmechanismen aus dem Ruder laufen. Sie ignoriert die Signale aus der Umgebung und beginnt, sich unkontrolliert zu teilen. In der Folge wächst ein Tumor, der schlimmstenfalls in andere Organe streut – der Patient ist an Krebs erkrankt. Um Krebserkrankungen zu klassifizieren, ist das Gewebe maßgeblich, in dem der Tumor zuerst auftrat. Entsprechend ist von Brust-, Blasen- oder Lungenkrebs die Rede, um nur drei Beispiele zu nennen. Nach diesem Ursprungsgewebe wird ein Arzt seine Therapie ausrichten, denn jeder entartete Zelltyp kann besondere Eigenheiten haben, die bei der Behandlung zu berücksichtigen sind. Ein internationales Forscherteam hat dieses Klassifikationssystem nun mit molekularen Profilen von Tumorzellen verglichen. Es handele sich um die bislang umfangreichste Studie dieser Art, schreiben die Autoren im Fachmagazin „Cell“.

„Unsere molekulare Landkarte könnte helfen, Patienten die richtige klinische Behandlung zukommen zu lassen“, hofft Joshua Stuart von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. Für ihre Analysen nahmen die Wissenschaftler mehr als 3.500 Tumorproben unter die Lupe, die zuvor zwölf verschiedenen Krebsarten zugeordnet worden waren. Mit Hilfe moderner molekularbiologischer Methoden schauten sie sich das genetische Profil jeder Probe an und ermittelten die Aktivität zahlreicher Gene. Dabei wurden auch bestimmte Modifikationen der DNA und Abweichungen in der Kopienzahl einzelner Sequenzabschnitte erfasst. Außerdem wollten Stuart und seine Mitstreiter wissen, welche von rund 130 ausgewählten Proteinen in den Gewebeproben vorhanden waren. Um dieses Sammelsurium an Daten auszuwerten, waren anschließend die Bioinformatiker im Team gefragt. Die Algorithmen der Wissenschaftler erkannten in den molekularbiologischen Profilen statistisch relevante Gemeinsamkeiten zwischen einigen Proben und konnten diese der Ähnlichkeit nach gruppieren. Spannend war nun, ob sich in diesen Clustern auch die gewebsspezifische Herkunft eines Tumors widerspiegelte. Haben beispielsweise alle Krebsarten, die in der Lunge ihren Ursprung nahmen, ähnliche genetische und genregulatorische Profile?

Tatsächlich stimmt die nun vorliegende molekulare Landkarte über weite Strecken mit dem gängigen Klassifikationssystem für Krebsarten überein. In einigen Fällen aber gibt es Abweichungen. „Es sind zwar nur zehn Prozent anders klassifiziert worden“, so Stuart, „doch diese zehn Prozent sind von großer Bedeutung, wenn Sie selbst zu den betroffenen Patienten gehören.“ So fanden sich Blasenkrebstumoren gleich in sieben unterschiedlichen Clustern wieder, bildeten also keine einheitliche Gruppe. Einzelne Blasentumoren landeten im selben Cluster mit einigen Lungenkrebsarten und bestimmten Tumoren im Nacken- und Kopfbereich. Obwohl die Tumorzellen aus verschiedenen Geweben stammen, ähneln sie sich in ihren Eigenschaften. Die Autoren vermuten, dass hier gemeinsame Ursachen eine Rolle spielen könnten, die durch äußere Faktoren wie zum Beispiel Zigarettenrauch bestimmt werden. Obwohl unterschiedliche Zellarten betroffen sind, würden demnach dieselben Mechanismen zur Krebsentstehung und somit zu ähnlichen molekularen Profilen führen.

Die Forscher unterzogen ihre Daten auch einem praktischen Test: Sie nahmen sich Patientendaten vor und wollten wissen, ob ihre Verlaufsprognosen mit den tatsächlichen Krankheitsverläufen übereinstimmten. Berücksichtigt man die Herkunft des Tumors, haben die theoretischen Voraussagen eine hohe Trefferquote. Zogen die Forscher aber zusätzlich die umfangreichen Daten aus der molekularen Landkarte heran, wurden ihre Prognosen sogar noch genauer. „Mit diesen Daten können wir einen Tumor allein auf Basis von Genexpressions- oder Mutationsraten klassifizieren“, schwärmt Stuart.

Allerdings halten die Autoren ihr Klassifikationssystem noch nicht für vollständig und vermuten, dass es noch weitere Subtypen gibt, die sich molekularbiologisch ermitteln lassen. In einer nächsten Studie wollen sie daher Proben zu 21 verschiedenen Tumorarten einbeziehen. Denn je feiner die molekulare Landkarte gezeichnet ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann einmal Krebspatienten von ihr profitieren, indem sie frühzeitig die passende Behandlung erhalten.

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